INES WUTTKE

Die Vernissage

Ein Drama in fünf Akten

Um 11 Uhr wird die Tür des Bahnwärterhauses geöffnet. Vor dem Betreten des Hauses wird dem Besucher ein Programmheft wie bei einem Theaterbesuch ausgehändigt. Titel ist „Die Vernissage – ein Drama in 5 Akten“. Die fünf Akte tragen die Titel „Die Eröffnungsrede“, „Die Besichtigung der Kunst“, „Sektempfang“, „Festmahl“ und „Verabschiedung“. In den Akten sind also Situationen und Handlungen beschrieben, die meist bei einer Vernissage stattfinden und authentisch sein könnten. Die vermeintlich spontane und intuitive Interaktion der Besucher miteinander scheint nun einer dramaturgischen Anweisung zu folgen: Vom Händeschütteln bis hin zum Smalltalk und dem unauffälligen Blick auf die Uhr. Es geschehen aber auch ungewöhnliche Dinge, wie zum Beispiel das Umwerfen der Sektglaspyramide durch die unachtsame Bewegung eines Gastes. Passiert dies wirklich unabsichtlich oder ist das eine inszenierte Handlung, weil das eine im Programmheft beschriebene Situation ist? Sind die Reaktionen auf dieses Malheur authentisch oder gespielt? Die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmt, das Urheberrecht einer Handlung wird in Frage gestellt: entspringt die Handlung einer subjektiven Motivation heraus oder ist es die Ausführung der im Programmheft beschriebenen Handlungen? Gewohnte Verhaltensmuster und unausgesprochene „Spielregeln“ auf gesellschaftlichen Events wie einer Vernissage sollen dadurch offengelegt und ironisch hinterfragt werden.

17.06.2012 / 11 Uhr / im Rahmen der Ausstellung "Saatgut-Emblements-Gran", Bahnwärterhaus, Esslingen
Performer: alle Anwesenden